Etwas Geschichte darf nicht fehlen
Daher wird es hier in Zukunft interessante Geschichten rund um die Kirchen von Bernitt und Moisall und natürlich den Verein an sich geben.
Die Kirchen in Bernitt und Moisall
Die Anfänge im 13. Jahrhundert
Mit der deutschen Besiedlung des Bützower Landes um 1220 begann auch die Geschichte unserer Kirchen in Bernitt und Moisall. Neben Waldrodungen, Dorfgründungen usw. wurden gleichzeitig Kirchen gebaut, zunächst einfache Holzkirchen, die dann etwa 40 Jahre später durch Steinkirchen abgelöst wurden. Dass das auch im Bützower Land der Fall war, konnte Tilo Schöfbeck bei der Bernitter Kirche durch den Nachweis eines Vorgängerbaus anhand zweitverwendeter Balken im Dachwerk des Schiffs belegen. Es ist zu vermuten, dass auch die Moisaller Kirche so einen einfachen Vorgängerbau hatte. Durch neue dendrochronologische Untersuchungen wurde gezeigt, dass unsere Kirchen etwa aus der gleichen Zeit stammen. Eine weitere Gemeinsamkeit ist das verwendete Baumaterial. Beide Kirchen sind nahezu vollständig aus z.T. behauenen Feldsteinen gebaut worden – einer Sage nach mit den Steinen eines Schlosses, das vor langer Zeit im Schlemminer Wald auf der Hohen Burg stand. Obwohl im Laufe der Jahrhunderte bei beiden Kirchen einiges verändert wurde (z.B. die Fenster), sind sie überwiegend so erhalten, wie sie ursprünglich angelegt worden sind.
Somit sind unsere beiden fast 800 Jahre alten Kirchen weit und breit die ältesten Bauwerke und nicht nur wert, dass wir uns mit ihnen näher beschäftigen, sondern auch alles tun, um sie zu erhalten.
Wer mehr über die Geschichte von Bernitt und seiner Umgebung sowie der Kirchen Bernitt und Moisall erfahren möchte, sollte das eindrucksvolle und faktenreiche Buch von Steffen Daebeler „Vom Opferstein zur Katharinenglocke / Bernitt und Umgebung – Bilder und Zeiten“ lesen.
Das liebevoll gestaltete und reich bebilderte Buch (Fotos von Dietmar Peters) im Hardcovereinband ist 2011 im Eigenverlag erschienen. Es umfasst 120 Seiten und kann über das Pfarrhaus Bernitt bezogen werden, Kosten 10 €. Gerne schicken wir es Ihnen auch zu.
Bestellung per Mail oder per Telefon: 038464/20227
Wie alt sind unsere Kirchen?
Überraschungen durch neue Methoden
Mehrfach ist die Bernitter Kirche beschrieben worden, zuerst von Friedrich Crull im Jahr 1857 in den Jahrbüchern des Vereins für Mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde (Bd. 22, S. 314 – 317), zuletzt von Dörte Bluhm in ihrem Buch „Kirchen in Mecklenburg“ von 2013. Am ausführlichsten aber wird unsere Bernitter Kirche im noch heute unübertroffenen Standardwerk, dem über 100 Jahre alten „Schlie“, beschrieben (Friedrich Schlie, Die Kunst- und Geschichtsdenkmäler des Grossherzogthums Mecklenburg-Schwerin).
So viele Experten – so viele Meinungen: Die Angaben der Autoren über das Alter der Bernitter Kirche, über das Alter des Taufbeckens oder des Altars schwanken stark. Galt jahrzehntelang als Konsens, dass der Chor um 1240, das Schiff um 1280 und der Turm im 15. Jh. gebaut wurde, kommen hier und auch beim Bernitter Altar neuere Forschungen zu einem präziseren Ergebnis. So ist es beispielsweise Frau Dr. Julia Trinkert aus Kiel gelungen, den schönen gotischen Altar der Bernitter Kirche zeitlich genau einzuordnen, und zwar in das Jahr 1525. Weiterhin konnte sie in ihrer Dissertation zeigen, das eine Parchimer Werkstatt diesen Altar gefertigt hat. Gelungen sind ihr diese neuen Erkenntnisse durch Vergleiche der technischen und gestalterischen Ausführung unseres Altars mit anderen Altären Mecklenburgs, immer ergänzt durch das Studium alter Unterlagen im Mecklenburgischen Landesarchiv in Schwerin.
Was nun die Bestimmung des Alters unserer Kirche betrifft, stehen uns neben Vergleichen und aufwändigen Archivbesuchen in Schwerin eine Reihe neuer Methoden zur Verfügung. Hierzu zählt in erster Linie die Dendrochronologie, eine Methode, mit der es gelingt, einzelne Hölzer und Balken aufgrund ihrer typischen Jahresringabstände zeitlich genau in eine vorhandene Eichkurve einzuordnen – so genau, dass, wenn das Splintholz (das Holz unmittelbar unter der Rinde) unbeschädigt vorhanden ist, sogar das exakte Fälljahr bestimmt werden kann. Und da das Holz im Mittelalter meist frisch verbaut wurde, es ließ sich so leichter verarbeiten, kann direkt auf das Alter des Bauwerks geschlossen werden.
Diese dendrochronologische Methode wurde von Dr. Tilo Schöfbeck nun auch bei der Bernitter Kirche für die Untersuchung der Sparren und Streben des Daches eingesetzt. In seinem äußerst interessanten Buch „Mittelalterliche Kirchen zwischen Trave und Peene“ (2014) stellt Schöfbeck die Ergebnisse für Bernitt vor: Danach ist der Chor 1263, das Schiff 1302 und der Turm 1434 gebaut worden. Chor und Schiff sind somit etwa 20 Jahre jünger als lange Zeit angenommen! Und endlich wissen wir auch, wann der Turm gebaut wurde!
Der Moisaller Kirchturm wird ebenfalls untersucht und stammt aus dem Jahr 1433, das Schiff ist natürlich deutlich älter (um 1300).
Die dendrochronologische Untersuchung für das Dachwerk der Kirche von Neukirchen ergab die erstaunlich junge Jahreszahl 1343 und wird von Schöfbeck damit erklärt, dass das gesamte Dachwerk nach einem Brand erneuert wurde, Brandspuren sind noch heute zu sehen. Die Kirche dürfte deutlich älter sein, Chor um 1250, Schiff um 1260.
Doch zurück zur Bernitter Kirche! Hier machte Schöfbeck einen erstaunlichen Fund: Er fand bei der Dendro-Untersuchung des Schiffsdaches einige Eichenbalken, die deutlich älter als die Mehrzahl der dort verbauten Balken war. Und zwar stammen sie aus der Zeit der ersten urkundlichen Erwähnung von Bernitt, dem Jahr 1233, und sind somit etwa 70 Jahre älter als die meisten Balken des Schiffs. Eine zweite Überraschung kam hinzu. Diese alten Balken zeigen deutliche Spuren einer vorherigen Verwendung: Bearbeitung mit dem Beil, alte Nägel. Schöfbeck vermutet, dass diese alten Balken von einer Vorgängerkirche stammen, die komplett aus Holz gebaut wurde. Ähnlich der Kirche in Laase, wo ebenfalls im Dachwerk des Schiffs Balken gefunden wurden, die schon einmal, zu einem anderen Zweck, genutzt worden waren. Aufgrund der Vielzahl dieser zweitverwendeten Balken ist es hier sogar gelungen, eine Rekonstruktionszeichnung dieses Vorgängerbaues anzufertigen.
Alle diese Jahreszahlen passen nun sehr gut überein mit den Forschungsergebnissen zu den Anfängen der deutschen Ostsiedlung, der Besiedlung unseres Landes durch deutsche Einwanderer, insbesondere aus Westfalen, die um 1220 hier im Bützower Land begann.
Und somit haben wir heute ein wesentlich genaueres Bild über die Zeit als unsere Kirchen erbaut wurden und im Bernitter Fall sogar die Gewissheit, dass das Schiff teilweise noch mit den fast 800 Jahre alten Eichenbalken einer Holzkirche aus der Zeit der deutschen Ostexpansion gebaut wurde. Um so behutsamer sollte die hoffentlich demnächst anstehende Sanierung des Schiffsdaches vorgenommen werden.
Steffen Daebeler